Geschichten

Wer sagt denn da Miau?

Kulli lag auf der Matte vor dem Sofa und schlief. Auf einmal hörte er wie jemand "Miau" sagte. Er hob den Kopf, schaute sich um, schnüffelte ein bisschen und legte sich wieder hin. Ich habe sicher nur geträumt, dachte Kulli und kuschelte sich gemütlich auf der weichen Matte zusammen. Doch da sagte wieder jemand laut und vernehmbar "Miau!" "Nanu, wer ist denn das?" Kulli lief durchs Zimmer, lugte unters Bett, unter den Tisch. Doch es war niemand da. Kulli sprang aufs Fensterbrett. Und was sah er! Spaziert doch auf dem Hof ein schöner stolzer Hahn einher. Freilich, der Hahn hat mich geweckt, dachte Kulli und lief schnell auf den Hof. "Hast du Miau gesagt?" fragte Kulli den Hahn. "Nein, ich sag nur ......." Der Hahn schlug mit den Flügeln und krähte lustig: "Kikeriki!" "Und kannst du sonst nichts?" erkundigte sich Kulli. "Nein, das ist alles", erwiderte würdig der Hahn.
Kulli kraulte sich mit der Hinterpfote am Genick und trottete ins Haus zurück. Doch vor der Haustür, bei den Stufen, sagte wieder jemand laut und deutlich: "Miau!" "Jetzt hab ich dich!" rief Kulli und begann geschwind mit allen vieren im Sand zu scharren. Als er schon ein großes Loch gescharrt hatte, kam ein winziges graues Mäuslein hervorgesprungen. "Hast du Miau gesagt?" fragte Kulli grimmig. "Nein - nein - nein - nein", fiepte das Mäuslein angstvoll. "Sollte hier jemand so was gesagt haben?" "Jawohl, hier hat jemand Miau gesagt." "War es sehr nah?" fragte das Mäuslein erschrocken. "Ja, ganz nah", versicherte Kulli. "Ich hab' so Angst", wisperte das Mäuslein, und schon war es unter die Treppe gehuscht. Kulli stand ein Weilchen da und überlegte. Plötzlich sagte jemand hinter der Hundehütte: "Miau!" Dreimal lief Kulli um die Hundehütte. Er fand niemand. Doch nun rührte sich drinnen etwas.... Du entgehst mir nicht, dachte Kulli und pirschten sich näher heran. Kettenrasselnd kam ein riesiger zotteliger Köter hervor. "R-r-r-r-r", knurrte der Köter. "Entschuldigen sie bitte....ich wollte nur...." "R-r-r-r-r", knurrte der Köter noch böser. "Haben Sie nicht zufällig Miau gesagt?" stotterte Kulli und kniff den Schwanz ein. "Ich?! Du willst mich wohl zum Narren halten, du Milchbart!" schrie der Köter.
Der erschrockene Kulli rannte in den Garten, so schnell ihn seine Pfoten trugen, und versteckte sich unter einem Strauch. Aber dicht an seinem Ohr hörte er es wieder leise sagen: "Miau!" Kulli schaute unterm Strauch hervor. Eine dicke mollige Biene saß vor ihm auf einer Blume. Sicher hat sie Miau gesagt, dachte Kulli und schnappte nach ihr. "Sum-sum-sum", machte die Biene beleidigt und stach den armen Kulli mitten auf die Nase. Der quietschte, so weh tat es, und machte sich davon. Aber die Biene flog hinter ihm her und summte immerzu: "Sum-sum, ich s-s-s-steche dich." Kulli rannte und rannte, und vor lauter Angst rannte er in den Teich.
Als er prustend wieder hoch kam, war die Biene verschwunden. Doch da sagte abermals jemand: "Miau!" "Hast du Miau gesagt?" fragte der nasse Kulli einen Fisch, der vorüber schwamm. Aber der Fisch glotzte ihn nur an, schwenkte seinen schönen Fächerschweif und schwamm davon. Auf dem tellerflachen Blatt einer Wasserrose saß ein Frosch. Er lachte: "Quak-quak-quak. Weißt du denn nicht, dass die Fische stumm sind?" "Aha, dann hast du sicher Miau gesagt", entgegnete Kulli dem grünen Kerlchen. Aber der Frosch lachte nur "Quak-quak-quak. Du bist aber dumm. Frösche können doch nur quaken." Und er hüpfte ins Wasser, dass er nur planschte.
So trottete Kulli seinem Haus zu, pudelnass, mit geschwollener Nase. Traurig legte er sich auf die Matte vor dem Sofa. Und da hörte er wieder: "Miau!" Mit einem Satz war er auf. Und was sah er? Vom Fensterbrett schaute eine schöne Katze zu ihm herab, sie hatte ein weiches gestreiftes Fell. "Miau!" sagte die Katze. "Wau-wau!" bellte Kulli. Doch dann viel ihm ein wie schön der zottelige Köter geknurrt hatte, und er knurrte auch: "R-r-r-r-r." Die Katze machte einen hohen Buckel und fauchte: "Sch-sch-sch-sch!" sog den Kulli beim Ohr und sprang schwups aus dem Fenster.
Kulli legte sich wieder hin. Er wusste, wer Miau gesagt hatte, und konnte ruhig schlafen.
(Wladimir Sutejew)

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