Geschichten

Das Entlein

Am Bach gab es ein Entennest. Aus allen Eiern waren plustrige Entenküken geschlüpft. Nun schwammen sie mit der Entenmutter bachabwärts. Hatten sie denn das letzte Ei vergessen? "Knack!" machte es leise, und heraus kam das winzigste Entenküken, das man sich denken konnte. Schaute der Maulwurf über den Nestrand. "Viel zu klein", brummte er. "Und wie bist du groß und stark geworden?" piepste das Entlein. "Man muss mit den Pfoten buddeln, buddeln, buddeln", sagte der Maulwurf. Da versuchte das Entenküken mit seinen Watschelbeinen zu buddeln, stolperte dabei nach rechts und nach links und stieß sich seinen Bürzel. "Buddeln kann ich nicht!" piepste es.
Guckte der Hase um den Busch. "Wie wird man groß und stark?" fragte das Entlein. Der Hase überlegte. "Man muss hüpfen und Haken schlagen!" Gleich hüpfte das Entenküken und versuchte Haken zu schlagen. Es stolperte über einen Grashalm und wäre beinahe in ein Mauseloch gekullert.
Klagte das Entlein dem Eichhorn: "Kann nicht buddeln, kann nicht Haken schlagen, will aber groß und stark werden. Was soll ich nur tun?" "Du musst klettern und Nüsse knacken", sagte das Eichhorn. Da nahm das Entlein Anlauf und wollte die Weide hinauflaufen.  Es stieß sich seinen Kopf und blieb rücklings zwischen den Wurzeln liegen. 
Klapperte der Storch: "Du musst viele Frösche fangen, das macht groß und stark." Gleich rappelte sich das Entenküken auf und stellte sich mutig dem Grasfrosch in den Weg. "Ich will dich fangen!" rief es. "Quaaaak!" lachte der Grasfrosch und blies sich auf. Da kippte das Entlein vor Schreck um. "Ich kann nichts, bin eben zu klein", seufzte es und kullerte in den Bach. Plötzlich paddelten seine Watschelbeine wie von selbst. "Man darf nur nicht den Mut verlieren", schnatterte die alte Gans. "Irgendwas kann jeder." Das Entenküken aber paddelte zu seinen Geschwistern, schnabbelte Würmchen und Grütze und wurde gleich um zwei Gramm schwerer.
(Ingeborg Feustel)

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