Vom Durst geplagt, kroch
eine Ameise in einen Brunnen hinab. Da sie aber trinken wollte, stürzte
sie ins Wasser. Über dem Brunnen stand ein hoher Baum, auf dem eine
Taube saß. Sie sah, wie die Ameise im Wasser zappelte, brach mit ihrem
Schnabel einen Zweig vom Baum und warf ihn in den Brunnen. So konnte die
Ameise daran hinaufklettern und sich in Sicherheit bringen.
Inzwischen war ein Vogelsteller des Weges gekommen, der die Taube fangen
wollte. Er steckte klebrige Ruten an eine lange Stange. Als das die
Ameise sah, biss sie den Vogelsteller in den Fuß. Der zuckte zusammen,
und die Stange entfiel seinen Händen. Von dem Lärm erschreckt, schwang
sich die Taube sofort in die Lüfte und entging so dem Tode. Was sie an
die Ameise getan hatte, wurde ihr nun mit gleichem vergolten. Wenn schon
unvernünftige Tiere für eine Wohltat dankbar sind, um wieviel mehr
sollten vernünftige Menschen Gutes mit Gutem beantworten.
(Heinrich Steinhöwel)
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